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Museum des Monats: Das Auswanderermuseum in Bremerhaven

Bremerhaven hat eine neue Attraktion. Das vor am 8. August 2005 eröffnete Deutsche Auswandererhaus – unweit der Stelle, wo viele Jahrzehnte hindurch, zwischen 1830 und 1974, der Exodus insgesamt sieben Millionen hoffnungsfroher Auswanderer in die Neue Welt begann – ist nicht nur das erste Museum in Deutschland, das sich mit diesem wichtigen, bisher wenig aufgearbeiteten Teil der deutschen/europäischen Geschichte befasst, sondern eine höchst interessante interaktive Erlebnisstätte für jung und alt.

Jeder Besucher erhält eine RFID-Smart Card (modernste Museumstechnologie!); Sie wird am Eingang der Ausstellung jedem Besucher ausgehändigt, der damit einen Namen und ein das Bild eines Auswanderers erhält. Das Ticket ist der Schlüssel zu einer Biographie, die sich der Gast erschließen kann, - zu einem Schicksal, mit dem man sich identifizieren kann. Hat der Besucher „seinen“ Auswanderer gefunden, erfährt er mit Hilfe des Tickets alles über dessen Lebensumstände bis zum Zeitpunkt seines Aufbruchs.

Hier hat man eindrucksvoll und direkt erfahrbar die Geschichte authentisch nachgebaut - in fünf Stationen: „Vor der Überfahrt“: Ein muffelig-trostloser Wartesaal. „Abschied an der Kaje“: Eine große Halle mit einem schwach beleuchteten, düsteren Kai, an dem die Auswanderern (lebensgroße Puppen in Trachten des späten 19. Jahrhunderts stehen hier) mit ihren bescheidenen Koffern warten, vor einem zwei Stockwerke hohen, ebenso beeindruckend wie bedrohlich wirkenden Ozeandampferrumpf. Zu ihm führt eine schmale Gangway. „An Bord des Schiffes“: Kajüten der ersten, zweiten und dritten Klasse mit ihren eindrucksvollen Unterschieden in Komfort und Luxus. Der Ankunftssaal auf Ellis Island mit seinen umständlichen Einwanderungsprozeduren.

In der ersten. Etage angelangt, erfährt man zunächst einiges über die Entwicklung der Auswandererschiffe. Drei schöne – typische - Modelle sind im Schaukasten und hinsichtlich Größe, Antriebsart und technischer Entwicklung zu vergleichen. Weiter bringt ein Holzdielenweg – die Holzplanken sind absichtlich nicht exakt horizontal verlegt, um den schwankenden Besucher zum breitbeinigen Schwanken zu bringen; den Eindruck einer echten Schiffsreise verstärken Bullaugen mit simulierten Meerwasserbewegungen. Hochinteressant: die Kajüten der verschiedenen Klassen. Anfassen, hinsetzen, Schränke aufmachen, oder die Sanitärbereiche anzuschauen, das ist hier erlaubt und erwünscht.

Sehr gelungen ist die „Galerie der 7 Millionen“: eine Bibliothek mit Tausenden von Schubladen; jede steht für einen Menschen, für ein Auswandererschicksal. Manche sind mit Originalfotos gefüllt, auf denen die Auswandererwilligen mal skeptisch, mal sorgenvoll ausschauen, und mit anrührenden Briefen, andere stehen noch leer. Jede Schublade ist mit einem Namen des Auswanderers und der Jahreszahl der Auswanderungsreise versehen. Im Mittelpunkt stehen 60 besonders breite Schubladen mit vielen Originalfotos und authentischen Dokumenten, die jeweils ein Einzelschicksal umfassend und lebendig dokumentierten. Sie sollen eine Identifikation des Besuchers mit den Auswanderern erleichtern.

Unter den vielen sonstigen Dingen, die hier zu sehen sind, sei noch das Forum Migration“ erwähnt, hier kann man in speziellen Datenbanken nach seiner Familie oder seinem Namen forschen.

Die Ausstellung und das Museum sind so gelungen, dass der Besucher von Raum zu Raum immer mehr selbst in die Rolle des Auswanderers gerät. Und – ganz in der Tradition der neuen Science Museen – das Anfassen aller Dinge ist hier ausdrücklich erlaubt, ja erwünscht.

Im Kino „Ocean Cinema“ (80 Sitzplätze) läuft kontinuierlich ein Film über Auswandererschicksale; fünf Menschen, die in die USA auswanderten, wurden zu ihrem früheren und jetzigen Leben befragt. Im letzten Raum werden auf spielerische Weise gängige Vorurteile gegenüber anderen Völkern thematisiert.

Nicht zu vergessen ein Lokal für Restauration und Events – mit regionaler Küche, Auswanderergerichten und amerikanischen Spezialitäten, die in maritimer Atmosphäre serviert werden.

Liebevoll gestaltet ist die Kids World, in einem Schiffsrumpf können die Kleinen toben, alles mögliche erkunden oder auch beim Malen zur Ruhe kommen können. Da für Kinder das exemplarische Lernen das Verständnis für die Dinge eröffnet, und da das Thema Heimat und Vertrautes und Verlassen für Kinder zentral ist, eignet sich die Erlebnisausstellung Auswanderung auch schon für das Kindergartenalter, um Verständnis für die Thematik warum müssen Menschen auswandern – zu entwickeln.

Fazit: Ein sehenswertes neues Museum, das sicherlich viel der kontinuierlichen Pflege und Instandhaltung bedarf, ein Raum der Begegnung für ausgewanderte Besucher Deutschlands, für suchende Angehörige und Nachfahren, für historisch Interessierte, und nicht zuletzt auch für alle, die selbst schon mal mit dem Gedanken spielen, auszuwandern. Auch für Familien und Kinder ein sehr empfehlenswertes Erlebnismuseum, das größte seiner Art in Europa übrigens.

Ein großes Kompliment gilt den Machern und Betreiber des neuen, übrigens auch architektonisch ansprechenden Hauses, Sabine Süss (Direktorin), Andreas Heller (Architekt, Konzeptionist, Betreiber), Laurenz Plassmann (projektleitender Architekt) und anderen. Die Kosten für das neue Museum betrugen 20,5 Mio. Euro; es spricht für das große Engagement der nicht gerade reichen Stadt Bremerhaven, dass sie trotz schwieriger Lage dazu beträchtlich beigesteuert hat.

Adresse: Deutsches Auswandererhaus, Columbusstraße 65, D 27568 Bremerhaven; Tel. +49 (0) 471/ 902200; Fax +49 (0) 471/ 9022022, www.dah-bremerhaven.de. Email : info@dah.bremerhaven.de Ferner: Bremerhaven Touristik: www.bremerhaven-tourism.de.

(Martina Guthmann, H. Jürgen Kagelmann)

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