Günther, Armin; Hopfinger, Hans; Kagelmann, H. Jürgen & Kiefl, Walter (Hrsg.)
Tourismusforschung in Bayern
Bibl. Daten
München/Wien: Profil-Verlag
2006, 1. Aufl., Hc.. 480 S., ca. 35 Abb., ca. Euro (D) 46,00
Mit Beiträgen von Werner Bätzing, Ingo Bartha, u.a.
ISBN 3-89019-592-x
Inhalt:
GELEITWORTE VON DR. OTTO WIESHEU, RÜDIGER LEIDNER
Dr. Otto Wiesheu
Bayerischer Staatsminister a.D. für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und
Technologie
Tourismus und Bayern, das sind zwei Dinge, die einfach zusammengehören. Bayern
ist das Tourismusland Nummer 1 in Deutschland. Mit seinen vielen wunderbaren
Städten und Bauten, Landschaften und Seen, seinem historischen Brauchtum, mit
Festen und Tausenden von Attraktionen trägt Bayern ganz wesentlich zum hohen
Ansehen bei, das Deutschland weltweit als Reiseland für Europäer, Amerikaner und
Asiaten genießt.
So besuchten im Jahr 2004 insgesamt rd. 22,8 Mio. Gäste (+18,1% gegenüber
1995) Bayern. Ein Fünftel dieser Gäste, rd. 4,7 Mio., kam aus dem Ausland. Damit
konnte Bayern bei der Zahl der Auslandsgäste im Zehnjahresvergleich eine Steigerung um rd. 33,6% verbuchen.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass man sich an vielen Hochschulen
und anderen Institutionen in Bayern mit Freizeit und Tourismus, Urlaub und Reisen befasst. Zu wichtig ist dieser Wirtschaftszweig für Bayern und Deutschland, als dass man es sich
leisten könnte, auf diesen Bereich der Forschung zu verzichten. Es ist historisch von hohem Interesse, dass die organisierte Reise- und Urlaubsforschung von Bayern ausging.
Es war der später sehr bekannt gewordene Studienkreis für Tourismus mit Sitz erst in München, dann in Starnberg, gegründet von dem engagierten Psychologen und Europafreund
Heinz Hahn in den 1960er Jahren, der zum Motor für die Erforschung des Reiseverhaltens und der Urlaubsmotivationen wurde. Heinz Hahn, dem dieser Band zu seinem 75. Geburtstag gewidmet ist, gebührt große Anerkennung
für die vielfältigen Anstöße, die er in seiner langjährigen Tätigkeit gegeben hat, damit wir alle - Industrie, Fachleute, Wissenschaftler, Journalisten, Politiker - mehr wissen über den weltweit so bedeutenden
„Wirtschaftszweig Tourismus“. So ist z.B. die Reiseanalyse, bei deren Entwicklung Herr Hahn maßgeblich beteiligt war, noch heute die führende bevölkerungsrepräsentative, kontinuierliche Untersuchung zum
Reiseverhalten der Deutschen.
Dass in Bayern viel unternommen wird, um ungeklärte und neue Fragen aus dem
Tourismus zu untersuchen, beweist dieser Band: Es ist die erste und längst fällige Zusammenstellung der vielfältigen Forschungsfragen und -ergebnisse, die in den letzten Jahren in Bayern zusammengetragen
worden sind.
Der Sammelband ist als eine gemeinsame Arbeit von Wissenschaftlern unserer
bayerischen Hochschulen interdisziplinär angelegt. Der Tourismus wird nicht nur
von der wirtschaftswissenschaftlichen Seite aus betrachtet, vielmehr wird die sozialwissenschaftliche Tourismusforschung in den Vordergrund gestellt. Daran wird deutlich,
dass auch Geographen und Psychologen, Volkskundler und Soziologen, Pädagogen und Forstwissenschaftler, Kommunikationswissenschaftler und Architekten, Ökologen und
Sportwissenschaftler viel zur Erforschung des „Tourismus“ beizutragen haben.
Man kann nur wünschen, dass dieser Sammelband Praktikern und Politikern, Fachleuten, Wissenschaftlern und allen Interessierten aufzeigt, wie wichtig,
aber auch wie interessant Forschung im Bereich Freizeit und Tourismus, Urlaub und Reisen ist.
Dr. Rüdiger Leidner
Regierungsdirektor im Bundeswirtschaftsministerium,
z. Zt. Tourismusreferat der EU-Kommission, Brüssel
Historisch betrachtet hat sich Reisen von einer Aktivität von nur Wenigen mit vorherrschend „beruflicher“ Motivation (Entdecker, Kaufleute, Literaten) zu einem
gesellschaftlichen Phänomen entwickelt, bei dem heute das Freizeitmotiv vorherrscht. Urlaub und Reisen wurden zu einer Ausdrucksform der „Freizeitgesellschaft“ bzw.
von Freizeitkultur. Der Zeitabschnitt, in welchem Reisen wirtschaftlich und gesellschaftlich von Bedeutung wurde, beschränkt sich hierbei in etwa auf die letzten
50 Jahre und ist in der Geschichte des Reisens nicht nur der jüngste, sondern auch der kürzeste. In diesen 50 Jahren sind nach Angaben der Welttourismusorganisation
allein die grenzüberschreitenden Ankünfte in Europa von 25,3 Mio. in 1950 auf ca. 414 Mio. in 2003 gestiegen und sollen bis 2020 auf etwa 717 Mio. internationale AnkÜnfte anwachsen.
Insofern war dies auch die Zeit, in der Tourismus zum Gegenstand der sozialwissenschaftlichen Forschung wurde. Denn in einem Wirtschaftsbereich, der je nach Abgrenzung
zwischen 4 und 11% des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union und 7 bis 21 Millionen Erwerbstätige umfasst, ist für Wirtschaft und Politik wissenschaftliche
Beratung unverzichtbar. Der Studienkreis für Tourismus e.V. mit seinem Initiator Heinz Hahn hatte, wie dies der vorliegende Sammelband eindrucksvoll belegt, sehr frühzeitig schon sein
Ohr am Puls der Zeit.
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Auch die sich entwickelnden neuen Nachfragestrukturen belegen die weiterhin notwendige sozialwissenschaftliche Forschung im Tourismus. Bedeutsamste Merkmale sind sicherlich die
Verschiebung der Alterspyramide sowie die Diskussion über mehr Nachhaltigkeit.
Der stetig zunehmende Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung verändert nicht nur das Reiseverhalten, sondern auch die Wünsche der Reisenden an Serviceleistungen
und die gebaute Umwelt. Auch wenn touristische Aktivitäten parallel zur Entwicklung der sog. Freizeitgesellschaft und Freizeitkultur zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen
in Ländern mit höherem pro-Kopf-Einkommen geworden sind, bedeutet das jedoch nicht, dass alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen partizipieren.
Die „Tourismus für alle“-Bewegung in Deutschland wie in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat das bereits vor dem Europäischen Jahr der Menschen mit
Behinderungen deutlich gemacht. Mit der sich immer stärker differenzierenden touristischen Nachfrage werden die Einstellungen der verschiedenen gesellschaftlichen
Gruppen zum Reisen mehr und mehr auch Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung. Hierdurch liefert die sozialwissenschaftliche Forschung einen wertvollen Beitrag
in der Diskussion um mehr Nachhaltigkeit, die schließlich aus den drei Säulen umweltbezogene, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit besteht. Bayern übrigens profitiert
von einem barrierefreien „Tourismus für alle“ am meisten. Das Bundesland stellt das Reiseziel Nummer 1 in diesem Segment des Tourismus dar.
Der vorliegende Sammelband bietet hinsichtlich der sozialwissenschaftlichen Dimensionen des Tourismus nicht nur einen guten Überblick über die jüngste Vergangenheit
der entsprechenden Tourismusforschung in Bayern, sondern stellt gleichzeitig einen wertvollen Ausgangspunkt für die Fortsetzung der Forschungsarbeiten dar.
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